📍Kashgar, China 17.017 km unterwegs
"Eine einmalige Gelegenheit", dachte ich.
An einem Samstagmorgen fuhr ich mit dem Taxi zum berühmten Viehmarkt in Kashgar. Ich hatte schon viel von diesem Markt gehört und meine Idee war es, mit den lokalen Viehverkäufern und Interessenten zu sprechen und ihre Perspektive zu verstehen. Denn dieser Markt ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Neben den Uiguren, die in der Provinz Xingjiang die Mehrheit stellen, trifft man hier auch Han-Chinesen und Menschen tadschikischer, kirgisischer, tibetischer sowie russischer Herkunft. Solche Gelegenheiten bieten sich nicht oft.
Aber es kam alles ganz anders. Schon beim Betreten des Marktes schlug mir der Geruch von rohem Fleisch entgegen. Über Hunderte von Metern reihten sich auf der einen Seite Verkaufsstände mit aufgespießtem Fleisch aller Art aneinander, auf der anderen Seite Grillstationen und Verzehrmöglichkeiten. So weit, so gut. Diesen Anblick findet man an vielen Orten der Welt.
Über eine Treppe und eine Linkskurve gelangte ich zum Lebendtiermarkt und was ich dort sah, werde ich so schnell nicht vergessen. Unzählige Ziegen, Schafe, Kühe, Pferde und sogar einige Kamele standen in abgegrenzten Bereichen zum Verkauf.
Ich schlängelte mich durch eine lange Schlange von Transportern mit noch mehr Tieren.
"Hier begegnete mir die hässlichste Fratze der Menschheit."
Meine Sinne waren völlig überfordert. Der Stress der Tiere lag in der Luft. Man konnte ihn sehen und riechen. Die Tiere waren angebunden und auf engstem Raum zusammengepfercht. Einige standen stundenlang mit den Hufen auf Asphalt. Überall auf dem Boden war Kot. Man musste aufpassen, nicht auszurutschen. Kleine Kälber schrien nach ihren Müttern, Pferde versuchten an der Leine ihren Besitzern zu entkommen, andere Pferde galoppierten unfreiwillig dicht an ihnen vorbei, um potentielle Käufer zu überzeugen. Natürlich wurden diese Vorführungen immer von Peitschenhieben begleitet, falls das Tier nicht gehorchte. Schläge wurden manchmal auch aus voller Willkür verteilt. Dass es dabei nicht regelmäßig zu Unfällen kam, erschien mir fast wie ein Wunder. Ich sah auch schlimme und akute Verletzungen, wie zum Beispiel ein abgerissenes Horn einer Kuh. Überall war Blut und niemand schien sich darum zu kümmern.
Ich war einfach nur sprachlos und verzweifelt. Hier begegnete mir die hässlichste Fratze der Menschheit. Niemand hatte Mitleid mit den Tieren. Sie wurden nicht nur als Objekte betrachtet. In manchen Augen der Menschen konnte man den Hass förmlich spüren. Es fiel mir schwer, diese Menschen nicht zu verurteilen. Jegliche Neugier, mit diesen Menschen zu interagieren, war wie weggeblasen. Auf einer rationalen Ebene verstehe ich, dass viele nur ihren Job machen, um genug Geld für ein gutes Leben zu verdienen, aber niemand scheint das immense Leid zu sehen, das sie dabei verursachen.
Das alles gehört verboten.
Dieser Viehmarkt hat mich angeekelt. Im Nachhinein habe ich mich gefragt, was ich mir davon versprochen hatte.
Viehmärkte (teilweise mit wilden Tieren) gibt es nicht nur in China. Meiner Meinung nach sollten sie alle abgeschafft werden. Wir sind als Menschheit eigentlich so weit entwickelt, dass wir auf diese Tradition der Viehmärkte verzichten können. Sie verursachen immenses Tierleid und stellen ein großes Gesundheitsrisiko dar. Sie bieten einen idealen Nährboden für Zoonosen und den Ausbruch von Krankheiten. Verkäufer und Kunden fassen die Tierkörper ohne Handschuhe an. Niemand weiß, wie lange das Fleisch ungekühlt ausliegt. Und das alles auf engstem Raum, ohne jegliche Hygienestandards.
Das alles gehört verboten. Das ist wohl die einzige Erkenntnis, die ich aus diesen Stunden mitgenommen habe.
Joscha
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