📍Uzbekistan 15.215 km unterwegs
Aus einer verrückten Idee wurde Realität.
Wir sind Xenia (33) und Joscha (32) und seit zwei Jahren mit dem Fahrrad auf Weltreise. “Das kann es noch nicht gewesen sein”, dachten wir im Frühjahr vor drei Jahren, als wir in unserer Berliner Wohnung saßen und über unsere Zukunft nachdachten. Noch sind wir frei, ungebunden, haben gut bezahlte Jobs und privilegierte Pässe. Wir wollen raus in die weite Welt. Den letzten Anstoß, das Fahrrad als Fortbewegungsmittel zu wählen, bekam Xenia in einer Reisedokumentation und die Begeisterung sprang sofort auf mich über. Im Sommer 2022 tauschen wir als absolute Anfänger den Bürostuhl gegen den Fahrradsattel. Wir wussten nicht einmal, wie man einen Platten flickt. Was uns motivierte, diese Reise anzutreten, war die Möglichkeit, Raum und Zeit selbst zu gestalten. Wir fahren ohne konkrete Route und ohne zeitlichen Rahmen. Das eröffnet Raum für Wachstum, Freiheit und einen großen Schritt aus der Komfortzone heraus. Wir lernen uns als Individuum und als Paar auf einer ganz neuen Ebene kennen. Darüber hinaus ist das übergeordnete Ziel und der Sinn dieser Reise größer als wir selbst. Es ist eine Herzensangelegenheit.
Mission Pedal for Paws - Um die Welt für Straßentiere.
Die Geschöpfe, für die wir fahren, haben meist keine Stimme. Sie werden auf der Straße ausgesetzt, geschlagen oder angefahren, und den Menschen ist es oft gleich, was mit ihnen geschieht. Krankheiten wie Tollwut bedeuten zudem ein großes Gesundheitsrisiko und verursachen immenses Leid auf allen Seiten. Wir wollen mit unserer Reise den Stimmlosen eine Stimme geben, auf die Herausforderungen der Straßentiere aufmerksam machen, internationale Einblicke erhalten und Lösungen aufzeigen. Dabei sammeln wir 30.000 Dollar Spenden für die uns vertraute Tierschutzorganisation Soi Dog Foundation in Thailand, um eine mobile Klinik zur medizinischen Versorgung und ganzheitlichen Eindämmung von Straßentieren zu finanzieren. Dieses Herzensprojekt tauften wir “Pedal For Paws”.
Unsere bisherige Route
Im August 2022 sind wir von Berlin aus durch Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Serbien, Kosovo, Nordmazedonien bis nach Bulgarien gefahren. Dort verbringen wir zwei Wochen im Tierheim “Everydaystray” und erfahren viel über deren Arbeit und Engagement. Die intensive Zeit mit den Hunden und Gründer:innen hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Danach radeln wir in die türkische Hauptstadt Istanbul und entscheiden uns aufgrund der politischen Unruhen im Iran für eine Routenänderung. Mit dem Flugzeug überspringen wir Syrien und setzen unsere Reise von Amman in Jordanien fort. Danach geht es durch Saudi-Arabien, Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran, den Nordirak und zurück in die Türkei ins Erdbebengebiet, wo wir in einem Tierrettungscamp der deutschen Tierschutzorganisation Notpfote Animal Rescue e.V. aushelfen. Das verheerende Erdbeben im Februar 2023 führte nicht nur zu einer Verwüstung der Region mit vielen Toten, sondern machte unzählige Menschen und Haustiere obdachlos. Der Notpfote helfen wir bei medizinischen Notfällen von Katzen und Hunden. Dabei lernen wir viel über ansteckende Krankheiten, deren Verläufe und dem Umgang mit kranken Tieren.
Im Herbst/Winter 2023 erfolgt dann die Weiterreise durch die anatolischen Mittelgebirge bis ans Schwarze Meer nach Georgien. In Georgien steigen wir für eine längere Pause vom Sattel und helfen als Freiwillige beim Ausbau eines Ökohauses auf einer Teefarm. Im Mai 2024 überqueren wir die Grenze zur Russischen Föderation. Eigentlich ist Russland nicht als Reiseziel geplant gewesen, aber es hat sich als großartige Entscheidung herausgestellt. Xenia ist als Russlanddeutsche nicht nur ihrem Geburtsland ein Stück näher gekommen, sondern hat uns mit ihren Sprachkenntnissen ungeahnte Einblicke in die Kultur und die Menschen von fünf Republiken und zwei Provinzen, drei Religionen und zahlreichen Ethnien und Sprachen eröffnet. Anschließend haben uns die weiten Steppen Südrusslands und Kasachstans vor neue Herausforderungen gestellt und schließlich sind wir in Usbekistan gelandet, das uns mit offenen Armen empfangen hat. Die Abwechslung zwischen Radfahren, Zelten und dem Besuch beeindruckender Städte wie Khiva, Buchara oder Samarkand mit ihren historischen Bauwerken und Kulturschätzen bereichert uns ungemein. Wir lassen uns kulinarisch verwöhnen, schlendern durch die Altstädte, plaudern mit den Einheimischen und fühlen uns richtig intensiv in Usbekistan angekommen.
Die nächsten Etappen haben es in sich und dafür tanken wir Kraft. Das Pamirgebirge in Tadschikistan und Kirgisistan warten auf uns. Außerdem haben wir uns vorgenommen, noch vor dem Wintereinbruch die südliche Hemisphäre zu erreichen. Wir wollen über China, Pakistan nach Indien. Wie es dann in Richtung Thailand weitergeht, wissen wir noch nicht.
Wie wir reisen
Wie man sieht, lassen wir uns nicht nur von der Reise selbst leiten, sondern nehmen uns auch die Freiheit, einmal gefasste Pläne über den Haufen zu werfen. Mit dem Fahrrad nehmen wir die Welt aus einer anderen Perspektive wahr. Wir sind langsam und verletzlich, denn jeder kann uns in unserem Tempo ansprechen. Ob auf Englisch, Deutsch, Russisch oder wie meistens mit Hilfe des Übersetzers, diese Art des Reisens gibt uns Einblicke in Lebensweisen, die wir uns nicht hätten vorstellen können. Meist sind es die Zufälle auf dieser Reise, die uns am meisten im Gedächtnis bleiben.
Beispiele dafür sind die Einladung zum jährlichen Heidelbeerfest bei einer tschechischen Familie, das Festessen mit einem saudischen Scheich, die Überraschungstorte der saudischen Grenzpolizei zu Xenias Geburtstag, traditionelle Tänze in einem iranischen Wohnzimmer, die Jamsession mit lokalen Hippies auf einer iranischen Insel, oder die Überraschungsgeburtstagsfeier in traditioneller Kleidung bei einer kurdischen Familie im Irak. Nicht zu vergessen die unzähligen Sonnenauf- und -untergänge und die vielen Straßentiere, die wir schon geknuddelt haben.
Wir führen ein einfaches Leben und reduzieren dadurch unsere Glücksschwelle. Eine kalte Cola kann der Höhepunkt des Tages sein. Gleichzeitig führt die Auseinandersetzung mit der sich ständig verändernden Umwelt und mit uns selbst zu kognitiven Dissonanzen und Kontrasterfahrungen. Immer wieder stoßen wir an körperliche und emotionale Grenzen, sei es bei der Überwindung eines Berggipfels oder im Gespräch mit Menschen mit diametralen Denkmustern. Höhen und Tiefen liegen manchmal nur wenige Minuten auseinander.
Wir kochen unser eigenes Essen mit dem Campingkocher und schlafen meistens im Zelt, bei Leuten zu Hause oder in billigen Unterkünften. Es gab aber auch schon ungewöhnlichere Übernachtungen: auf der Ladefläche eines Lastwagens, unter einer Windkraftanlage, unter Brücken, in Gebetshäusern (mit Erlaubnis), in einer Wohnung mit Swimmingpool im Schlafzimmer (auf Einladung), auf dem Dach eines stillgelegten Hotels oder in der Eingangshalle eines Flughafens. Hinzu kommen so viele Einladungen und Zuwendungen, dass wir sie gar nicht alle aufzählen können.
Was uns das Reisen lehrte
99% unserer Erfahrungen und Geschichten sind positiv. Wir sind so dankbar für all die Begegnungen mit Menschen mit so unterschiedlichen Hintergründen, Denkweisen und Perspektiven, die uns immer wieder zum Lernen, Lachen, Diskutieren, Weinen oder Nachdenken bringen. Wir können die unzähligen offenen Arme, die uns entgegengestreckt wurden, gar nicht fassen. Was wir gelernt haben, ist, an das Gute im Menschen zu glauben und ein Urvertrauen zu entwickeln, das uns hilft, in Zeiten der Unsicherheit und Sorge eine gewisse Offenheit und Neugier zu bewahren.
Die schwierigste Herausforderung haben wir wohl mit dem Beginn unserer Reise gemeistert: Allen Widrigkeiten und inneren Zweifeln zum Trotz aufzubrechen. Unglückliche Zufälle wie ein Sandsturm, der uns zur Verzweiflung brachte, oder ein Schneesturm, der uns zur Umkehr zwang, sind eher als Widrigkeiten zu sehen, die uns gestärkt und weitergebracht haben. Die meisten negativen Momente haben eher mit uns selbst zu tun, zum Beispiel wenn uns alles über den Kopf wächst. Manchmal erkennen wir uns selbst nicht mehr wieder, wenn wir gereizt und unhöflich aufeinander oder auf Fremde reagieren und nur noch unsere Ruhe haben wollen. Wenn uns die Reise eines gelehrt hat, dann, dass wir uns selbst und unsere Macken immer mitnehmen, egal wohin auf der Welt. Um all die Erlebnisse und Ereignisse verarbeiten zu können, machen wir deshalb regelmäßig Pausen, wenn wir merken, dass wir körperlich und geistig erschöpft sind und kein Platz mehr auf unserer Festplatte ist. Die Pausen helfen uns, herauszuzoomen und über die Reise zu reflektieren.
Nach über 15.000 Kilometern und Ländern wissen wir, dass wir noch sehr wenig über die Welt wissen. Aber jeder Kilometer auf dem Fahrrad ist wie eine Schule über die Welt, weil wir recherchierte Informationen, eigene Erfahrungen und Emotionen miteinander verbinden können. So können wir uns nur dankbar und demütig auf die nächsten Kilometer freuen und neugierig sein, was noch alles passieren wird.
Wer noch mehr Eindrücke von unserer Reise und unserer Mission bekommen möchte, kann sich gerne unseren Fernsehbeitrag im WDR anschauen oder unseren Instagram-Kanal @project.pedalforpaws besuchen.
Alle Spenden für die mobile Tierklinik gehen direkt und zu 100% an die Soi Dog Foundation und können unter folgendem Link getätigt werden:
https://www.gofundme.com/pedalforpaws-soidog
Vielen Dank für eure Unterstützung!
Xenia & Joscha
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